Freitag, 9. Oktober 2009

böse alte?

die gestrige sitzung des seniorenrates hat höhere wellen geschlagen als üblich. grund: khol und blecha haben nicht nur eine pensionserhöhung nach dem pensionistenpreisindex gefordert, sondern auch die anerkennung als 5. sozialpartner.

das hat nicht nur mich zu einer stellungnahme provoziert, sondern auch mein kollege christoph chorherr hat sich zu einem kommentar hinreissen lassen - und ist dabei in die populismusfalle gelaufen.

auch christoph chorherr ist der versuchung erlegen, seniorInnen in einen topf zu werfen und ein bild der bösen alten zu zeichnen, die den jungen die butter vom brot fressen. damit macht auch er den fehler, bei der betrachtung des systems quasi im system zu bleiben, anstatt den blick über den tellerrrand zu machen und die gesamte debatte unter einem alternativen blickwinkel zu betrachten.

weil es nämlich nicht um den gegensatz zwischen jung und alt geht, sondern immer und immer wieder um den gegensatz zwischen arm und reich, zwischen privilegiert und chancenlos, zwischen mächtig und ohnmächtig. und das völlig unabhängig vom alter.

blecha und khol als proponenten schaden der sache der seniorinnen, weil sie dieses bild der "bösen privilegierten alten" verkörpern. so gesehen muss die forderung nach pensionserhöhung als affront wirken, wenn sie ausgerechnet von ihnen kommt.

was dabei allerdings untergeht: die mehrheit der seniorinnen sind nicht die khols und blechas unserer österreichischen welt. die mehrheit der seniorinnnen sind männer und frauen, die gerade mal so viel geld erhalten, dass sie am leben bleiben können.

im dezember 2008 betrug die durchschnittspension in österreich 930 euro brutto. in worten: neunhundertdreissig euro. wobei männer mit durchschnittlich 1233 euro noch deutlich über den frauen mit durchschnittlich 738 euro lagen, aber das ist schon wieder eine andere geschichte.

höhere pensionen erhielten nur diejenigen die eine sogenannte „hackler – pension“ ausbezahlt bekamen - da lag im dezember 2008 der durchschnitt bei 1885 euro.

ich fordere daher, dass wir in der - gerechtfertigten - diskussion um pensionsantrittsalter, pensionserhöhung, hackler-regelung, lebenserwartung, chancen für junge, alte, männer und frauen endlich aufhören, die einen gegen die anderen auszuspielen.

nicht zuletzt die jungen werden es den alten einmal danken, wenn sie sich jetzt auf die füsse stellen und die probleme der pensionistinnen thematisieren. österreich als eines der reichsten länder der welt muss imstande sein, soziale ungerechtigkeiten auszugleichen. bei jungen genau so wie bei den alten.
Martin (Gast) - 9. Okt, 08:52

danke

mir geht das leidige jung gegen alt schon genauso auf die nerven wie dir

hp (Gast) - 9. Okt, 10:04

Ich habe mich gestern über die vielen bösartigen Postings zum Pensionsthema im DerStandard.at geärgert, weil dieser Bericht unterschwellig tendenziös und journalistisch schwach war und die Poster so auf diese Hetze eingestiegen sind. Ich habe zweimal versucht dagegen zu Posten, aber meine Postings wurden nicht veröffentlicht ...
Der Blog von Christoph Chorherr hat mir dann aber den Rest gegeben! Sowas von einem Grünen!
Daher bin ich für Ihre sachliche Analyse sehr dankbar, die mir eine weitere plausible Erklärung für diese blindwütige Pensionistenhatz gegeben hat: Es sind natürlich auch Khol und Blecha, die die Emotionen (und den Blutdruck) hochgehen lassen.

Mario Sedlak (Gast) - 9. Okt, 12:18

Ich finde, *das* ist Populismus:

"die mehrheit der seniorinnnen sind männer und frauen, die gerade mal so viel geld erhalten, dass sie am leben bleiben können."

Erkundigen Sie sich einmal nach der durchschnittlichen Pensionshöhe in Bulgarien oder Moldawien! Die Leute *dort* sind existenzgefährdet.

Können Sie sich vorstellen, dass die Forderung nach immer höheren leistungslosen Einkommen bei den Zahlern irgendwann tatsächlich als unverschämt empfunden wird? Haben Sie schon einmal ausgerechnet, wie viel den Pensionisten rein mathematisch aufgrund ihrer Einzahlungen zustünde?

waltraut antonov (Gast) - 9. Okt, 20:36

lieber herr Sedlak, dass es anderswo menschen noch schlechter geht - und es geht definitiv vielen menschen an vielen orten noch viel schlechter als uns allen zusammen in österreich - das kann kein argument dafür sein, dass wir in unserem reichen land uns nicht leisten können, den menschen soviel zu bezahlen, dass sie ein auskommen haben. viele mindestpensionist/innen bekommen gerade so viel, dass sie eben überleben können - aber luxusleben können sie keines führen. im gegenteil, viele von ihnen leben in manifester armut....

wieso leistungsloses einkommen? pensionen werden bezahlt, weil menschen ein arbeitsleben lang in das sozialversicherungssystem eingezahlt haben. und was die mathematik betrifft: wenn Sie beginnen, allen menschen "nur" mehr das auszuzahlen, was sie eingezahlt haben ins system, dann schaffen Sie damit den solidaritätsgedanken völlig ab. das halte ich für brandgefährlich! was wollen Sie denn tun, wenn menschen länger leben, als die zeit, die sich mit den von ihnen eingezahlten beiträgen finanzieren lässt????
Mario Sedlak (Gast) - 10. Okt, 07:31

Liebe Frau Antonov,

wenn man mehr herausbekommt, als man einbezahlt hat, dann ist das ein leistungsloses Einkommen. Ich bin absolut für solche Transferzahlungen an Bedürftige, jedoch halte ich es auch für gerechtfertigt, den Leuten bewusst zu machen, dass sie bereits Nettoempfänger sind. Viele halten sich fälschlicherweise für ausgebeutete Verlierer des Systems. Hier muss meines Erachtens eine sachlichere Diskussion einsetzen.

Wie es ist, wenn man von Mindestpension leben muss, weiß ich sehr gut, denn ich bin bei einer Mindestpensionsbezieherin (meiner Mutter) aufgewachsen. Mit Ausgleichszulage, Wohnbeihilfe, Heizkostenzuschuss, Sozialpass, Gebührenbefreiung und sonstigen Unterstützungen kann man zwar kein "Luxusleben" finanzieren, aber von absoluter Armut ist man weit weg. Es ist sogar die eine oder andere unnötige Ausgabe möglich. Nur weil andere noch mehr haben, spricht man von "relativer Armut". Für jemanden in Bulgarien, Moldawien oder sonst wo, der tatsächlich arm ist, muss das äußerst lächerlich klingen.

Ein Problem der Mindestpensionisten ist, dass sie sich legal kaum etwas dazuverdienen können, da ihnen dann die Unterstützungen gestrichen werden. Ihr Grenzsteuersatz ist also um die 100%. Vielleicht können Sie sich für die Lösung dieses Problems einsetzen?
Waltraut Antonov - 10. Okt, 22:29

lieber Herr Sedlak, vorweg danke, dass Sie sich weiter auf die diskussion einlassen! ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum Sie den mindestpensionist/innen in österreich quasi absprechen, arm zu sein, indem Sie argumentieren, in moldawien würde das als lächerlich empfunden werden. wie Sie selbst schreiben, ist mit einer mindestpension kein luxusleben zu führen - unverohergesehene ausgaben wie ein boiler oder ein kühlschrank oder eine neue zahnprothese können da schon zum unüberwindbaren problem werden.
ich meine, das system muss insgesamt überdacht werden. ich halte es für gerechtfertigt, das pensionsantrittsalter hinaufzusetzen, ich halte es für gut, wenn die zuverdienstmöglichkeiten für mindestpensionist/innen anders geregelt werden als für höchstpensionsbezieher/innen.
aber ich finde es dennoch sehr zynisch, wenn Sie meinen, dass man den "leuten bewusst machen muss, dass sie nettoempfängers sind". es gibt für mich kein leistungsloses einkommen. im heutigen system haben doch alle, die leistungen beziehen, vorher auch in dieses system eingezahlt. abgesehen davon gibt es da auch noch die unbezahlte arbeit. vor allem die älteren menschen pflegen ihre angehörigen, unterstützen ihre kinder - finanziell oder auch durch mitarbeit, z.b. bei der kinderbetreuung, betreuen sich auch gegenseitig und sparen dadurch dem staat auch geld. das wird überhaupt nicht bewertet und auch nicht wertgeschätzt.
und abschließend: ich finde es schlimm, wenn menschen nur über ihre leistung bewertet und geschätzt werden. und mindestpensionist/innen zu sagen, sie seien nettoempfänger, ist echt eine totale abwertung und geringschätzung. das tut mir eigentlich weh. empfinden Sie das denn nicht so?
Mario Sedlak (Gast) - 11. Okt, 08:32

Danke auch Ihnen für die Diskussionsbereitschaft.

Bei 20% Bundeszuschuss zu den Pensionen würde ich nicht davon sprechen, dass die Leistungen der Pensionisten von der Gesellschaft "nicht wertgeschätzt" werden.

Was ich als schön empfinden würde und was tatsächlich den Fakten entspricht, sind zwei verschiedene Sachen. Ich finde, die Wahrheit ist nicht zynisch und soll ohne Beschönigung ausgesprochen werden (dürfen).

Was mir nicht gefällt, ist, wenn pauschal alle Menschen mit 930 Euro Monatseinkommen so dargestellt werden, als müssten sie im wahrsten Sinn des Wortes ums nackte Überleben kämpfen. Das kommt bei diesen Menschen sicher gut an, wird dadurch aber nicht wahrer.

Wahr ist, dass jede Transferleistung von irgendjemand anderem bezahlt werden muss. Und wahr ist auch, dass wir bereits eine sehr hohe Steuerlast und Staatsverschuldung haben. Solange die Wir-wollen-noch-mehr-Mentalität beibehalten wird, werden wir Steuerlast und Staatsverschuldung nie senken können.

Ich weiß, sparen ist unpopulär. Sonst wär auch für einen Mindestpensionisten die Anschaffung eines neuen Boilers oder Kühlschranks kein Problem, weil er bereits vorher eine Rücklage gebildet hat (anstatt nachher den Kaufpreis abzustottern).
Waltraut Antonov - 11. Okt, 18:46

lieber herr Sedlak, mit wertschätzung meine ich nicht nur geld, sondern auch, dass in den aktuellen diskussionen die pensionist/innen geradezu als last für die jungen dargestellt werden. ich finde das sehr schlimm.
die staatsschulden sind ja auch auf bankenhilfspaket, spekulieren der bundesfinanzierungsagentur, asfinag, öbb, aber auch ausgebaute familienförderung zurückzuführen. das alles kann man sicher nicht den pensionist/innen umhängen. letzten endes sind alle generationen gleichzeitig nutzniesserInnen und zahlerInnen.
sie haben schon recht, dass die wir-wollen-mehr-mentalität nicht weiterhilft. ich glaube, es ist genug da, aber es muss anders verteilt werden. sowohl die arbeit, als auch die arbeitszeit, als auch die bezahlung.
ich glaube auch nicht, dass die anschaffung eines boilers von der mindestpension ein problem ist, das mit mangelndem sparwillen zu tun hat. wer eine mindestpension hat, hat ja auch in den berufsjahren schon so wenig verdient, aus welchen gründen auch immer, dass er oder sie vermutlich nie in der lage war, überhaupt mehr als ein paar schilling oder euro zu sparen. das betrifft vor allem wieder frauen - aber das wissen Sie ja sicher auch von Ihrer mutter. 900 euro im monat können zum sterben zuviel und zum leben zu wenig sein. das hängt ja auch davon ab, wie die wohnverhältnisse sind, wie die wohnung zu heizen ist, wie gesund oder krank man ist und noch von vielem mehr.
und: ich meine, dass alle menschen das recht auf ein menschenwürdiges leben haben. und dazu gehört für mich, menschen, die es brauchen, zu unterstützen, ohne ihnen dabei ständig zu sagen, dass sie nettoempfänger sind. können Sie sich da meiner meinung anschliessen?
Mario Sedlak (Gast) - 14. Okt, 07:35

Liebe Frau Antonov,

derzeit macht der Bundeszuschuss zu den Pensionen 10% der Staatsausgaben aus. Das ist nicht wenig und bekanntlich ist die Tendenz, demografisch bedingt, stark steigend.

Meines Erachtens soll der Staat die Existenz seiner Bürger sichern, aber der Staat kann nicht jeden wunschlos glücklich machen. Zu einem menschenwürdigen Leben gehört für mich nicht, dass jeder so viel Geld hat, dass er sich nicht einschränken muss.

Auch die Menschen mit kleinem Einkommen könnten sparen; wenn sie sich verschulden, können sie ja auch monatlich was zurückzahlen. D. h. sie könnten auch vorher schon sparen, aber meiner Erfahrung nach fällt es ihnen zu schwer. Schlimm ist es nur für die Leute, die total überschuldet sind. Aber gegen dieses Problem ist eine Pensionserhöhung keine Lösung.

Was Miete und Heizen anbelangt, gibt es bereits Mietbeihilfe und Heizkostenzuschuss. Irgendwann muss man einmal mit der Situation zufrieden sein, finde ich.

Ich denke, der viel zitierte "mündige Bürger" muss eine sachliche Diskussion über reale Gegebenheiten ertragen können.

Wie Sie sicher wissen, sind 25% des Restmülls unverbrauchte Lebensmittel, und zwar weitgehend unabhängig vom Haushaltseinkommen. Das deutet doch darauf hin, dass die Menschen mehr haben als sie brauchen. Einen Bedarf für weitere Unterstützungen sehe ich nicht.
Waltraut Antonov - 15. Okt, 17:27

lieber Herr Sedlak, der bundeszuschuss zu den pensionen ist ja unterschiedlich, hängt von verschiedenen voraussetzungen ab. aber gehen wir mal von 10% zuschuss aus. das heisst, jemand erhält dank seiner versicherungsbeiträge 500 euro pension und bekommt vom staat noch 50 euro dazu. bei 3000 euro pension aufgrund der versicherungsbeiträge macht der staatliche zuschuss dann 300 euro aus. von den managerpensionen um die 10.000 euro ganz zu schweigen... DA liegt die grosse ungerechtigkeit des systems und auch ein grund, warum es insgesamt teuer ist. daher sollten wir uns schleunigst eine bessere regelung für die staatliche pensionsförderung einfallen lassen. und zwar eine, die die untersten und unteren pensionen auf ein bestimmtes niveau hebt (z.b. mindestens 1.000 euro) und die alle höheren und höchsten pensionen nicht weiter fördert. das hätte meines erachtens erstens mal zur folge, dass die verteilung sozial gerechter ist und zweitens, dass es auch im berufsleben nicht mehr so wahnsinnig wichtig ist, irre hohe gehälter zu haben - weil sie sich ja nicht mehr in dieser höhe auf die pension auswirken. das wiederum sollte bewirken, dass auch die arbeit, die arbeitszeit und der arbeitslohn gerechter verteilt werden können.
damit würde der staat seiner aufgabe nachkommen, die existenz seiner bürger/innen zu sichern.
mit der überschuldung haben Sie recht - das problem kann über die pension nicht geregelt werden. da wäre es schon gut, wenn z.b. die schuldnerInnenberatungen in wien mehr personal und mehr möglichkeit hätten, betroffene zu beraten. leider ist es so, dass man derzeit wochenlang auf beratungstermine warten muss...

ja, es gibt mietbeihilfe und heizkostenzuschuss. aber auch das garantiert noch lange nicht, dass menschen damit bequem leben können. 100 - 200 euro zuschuss für eine heizsaison sind nicht viel. vor allem dann nicht, wenn die spö die energiegebühren anhebt. und wenn, so wie heuer, die heizsaison schon am 15.oktober beginnt, weil der winter über die stadt hereinbricht.

was den restmüll betrifft, haben Sie einerseits recht, andererseits nicht. denn ich bin überzeugt, dass es nicht die armen haushalte sind, die lebensmittel wegwerfen müssen. ich meine, dass sich auch da zeigt, wie ungerecht verteilt alles ist: während es z.b. im 15.bezirk (wo ich wohne) kinder gibt, die in ein jugendzentrum kommen, weil sie dort zu essen bekommen, bei denen zuhause einfach zu wenig da ist, gibt es andere haushalte, die ihren überfluss wegwerfen. ich finde das eine so schlimm wie das andere und ich werde mein leben lang dafür kämpfen, dass diese ungleichheiten ausgeglichen werden. und dafür brauchen wir einerseits viele unterstützungen für die ärmeren, und andererseits sehr viel bewusstseinsbildung bei den wohlhabenderen. aber ich vermute, zumindest bei letzterem können Sie mir zustimmen!?
Mario Sedlak (Gast) - 16. Okt, 09:03

Liebe Frau Antonov,

zunächst muss ich einmal sagen: Ich finde es toll, wie Sie sich hier dem Dialog stellen! So sollte Politik sein.

Bzgl. sozialer Gerechtigkeit scheinen wir unterschiedlicher Auffassung zu sein. Aus Ihren Antworten lese ich heraus, dass Ihr Ziel zu sein scheint, dass alle in etwa gleich viel haben. Meines Erachtens ist das jedoch nur scheinbar gerecht. Ich denke z. B. an Leute, die nach der Schulpflicht noch 10 weitere Jahre gelernt und studiert haben, bevor sie in's Berufsleben eintraten. Andere haben da schon 100 000 Euro verdient.

Wenn sich Leistung nicht lohnt, wird das für unsere Gesellschaft nicht gut sein. Kaum jemand wird hart arbeiten gehen, wenn er nichts (oder nur wenig) davon hat.

Also ich verstehe unter sozialer Gerechtigkeit: Jeder bekommt die Pension, die ihm aufgrund seiner Einzahlungen und der allgemeinen Lebenserwartung mathematisch zusteht (wobei auch Erziehungszeiten etc. angerechnet werden). Bedürftige bekommen einen Zuschuss, sodass sie das Existenzminimum erhalten. Das Existenzminimum ist für alle (Alte wie Junge) gleich, aber mit Zuverdienstmöglichkeiten (Einschleifregelung) und natürlich Sonderfällen (für Behinderte etc.).

Ich habe schon viele arme Menschen getroffen und hab andere Erfahrungen als Sie gemacht. Wenn ich denen z. B. erzähle, dass sie durch den Wechsel des Stromanbieters 30 Euro im Jahr sparen können, sagen sie u. a., dass sich für 30 Euro der Wechsel nicht lohne. Genauso argumentieren sie gegen Energiesparmaßnahmen (z. B. ganz aus statt Standby). "Ob ich die paar Euro hab oder nicht ist auch schon egal." Dass alle armen Leute buchstäblich jeden Euro dreimal umdrehen müssen, glaube ich daher nicht.

Ich kenne auch niemanden, der so arm ist, dass er sich keine Zigaretten, keinen Kaffee und kein Haustierfutter mehr leisten kann. Sicher wäre es nicht einfach, auf diese Dinge zu verzichten (und es ist auch sozial gerecht, dass niemand darauf verzichten muss), aber wenn die Leute es sich wirklich "einfach nicht leisten können" (eine oft gehörte Phrase), dann *müssten* sie wohl oder übel verzichten. Das heißt im Umkehrschluss: Wenn jemand zu wenig zu essen zuhause hat, dann offenbar deswegen, weil er die Prioritäten anders gesetzt hat.
Waltraut Antonov - 18. Okt, 10:29

lieber Herr Sedlak, ich diskutiere sehr gerne, weil ich dadurch gelegenheit habe, auch andere perspektiven zu sehen und meine position dadurch entweder bestätigen oder korrigieren kann. manchmal dauert halt eine antwort etwas länger, so wie diese:-)
zur sozialen gerechtigkeit: ich meine nicht, dass alle gleich viel haben müssen. aber für alle muss ein vernünftiges mindestmass gesichert sein, und das darf in meinen augen noch nicht einmal von leistung abhängig sein. zu ihrem ersten beispiel: damit wollen Sie vermutlich sagen, dass jemand, der gleich arbeiten geht, schon 10 jahre lang eingezahlt hat, und die, die studieren, weniger lang ins sozialversicherungssystem einzahlen - habe ich das richtig verstanden? da möchte ich dagegenhalten, dass ja diejenigen, die nach der schule gleich arbeiten, meistens niedrigere löhne haben, als die akademikerInnen, und so über das berufsleben insgesamt nicht mehr einzahlen. wobei ich ja finde, dass wir dringend beides brauchen - sowohl akademikerInnen, als auch menschen, die in lehrberufe gehen und facharbeiterInnen werden. ich wünsche mir ja sehr, dass wir endlich aufhören, im schulsystem schon unterschiede festzumachen. ich möchte haben, dass ALLE berufe als wertvoll gesehen werden. ich möchte haben, dass unser schulsystem alle jugendlichen dort stärkt, wo sie schwächen haben und ihre begabungen fördert. und ich möchte, dass menschen stolz darauf sind, wenn sie einen lehrberuf ergreifen, ebenso, wie man stolz darauf sein kann, zu studieren und dann einen entsprechenden beruf zu haben. weil ich eben glaube, dass wir beides brauchen - siehe oben. daher finde ich auch, dass die unterschiede in der bezahlung der leistungen nicht so gross sein dürfen, dass sie völlige ungleichheit bewirken.
mir gefälllt zum beispiel die "folkepension" in dänemark. da ist die erste säule durch steuern finanziert und vom einkommen unabhängig. staatsbürger/innen, die zwischen ihrem 15. lebensjahr und dem renteneintritt – fünf jahre davon unmittelbar vor dem ruhestand – in dänemark gelebt haben, erhalten ab dem 65. geburtstag diese folkepension. die zweite säule ist einkommensabhängig und wird kapitalgedeckt finanziert und gesichert. das finde ich tatsächlich sehr spannend.
und zum thema "jeden euro umdrehen": ich glaube nicht, dass es nur an falsch gesetzten prioritäten liegt. mag schon auch vorkommen, aber für viele ist es anders. für alleinerziehende elternteile, die einen durchschnittlich bezahlten job haben, ist z.b. schon der schulanfang finanzieller wahnsinn, weil da hefte, bücher, material, meist auch gewand und schuhe zu bezahlen sind. viele familien fahren gar nicht auf urlaub, weil sie das 13. und 14. gehalt für dringend nötige ausgaben brauchen... da können nicht mehr viel prioritäten anders gesetzt werden, meine ich.
und jetzt bin ich schon gespannt auf Ihre antwort:-))
Mario Sedlak (Gast) - 19. Okt, 08:13

Liebe Frau Antonov,

bzgl. Diskutieren haben wir die gleichen Ansichten und Ziele. :-)

Ich meinte: Die Unterschiede in der Bezahlung der Arbeit (von Ungelernten/Facharbeitern/Akademikern/...) dürfen nicht zu gering sein, und man darf nicht nur auf das Monatseinkommen schauen; man muss auch die lange Durststrecke während der Ausbildung berücksichtigen. Durch die Steuerprogression werden die Unterschiede bereits stark abgeflacht. Keinesfalls darf man die Unterschiede zu sehr abflachen, denn das wäre meines Erachtens ungerecht und kontraproduktiv.

Das Schulsystem sehe ich gar nicht so festlegend. Ich habe die Hauptschule absolviert und bin trotzdem Diplom-Ingenieur geworden.

Das dänische System klingt nicht schlecht, aber wieso müssen *alle* vom Steuertopf gefördert werden? Wo ist da die soziale Treffsicherheit?

Lt. einem Bericht im "Trend", 2/1998 sind die Witwen und Waisen die größten Nettoempfänger Österreichs, weil sie als Gratisversicherte ohne Einzahlungen eine Pension erhalten. Hier kann man die Frage nach der sozialen Treffsicherheit meines Erachtens auch stellen. Mein Standpunkt: Hilfe zur Existenzsicherung Ja, darüber hinausgehende Geschenke Nein. Solange der Staat Schulden und/oder ein Budgetdefizit hat, hat der Staat nichts zu verschenken. Wieso diskutieren Politiker nie über Witwen- und Waisenpensionen? Trauen sie sich nicht?

Zum Thema "jeden Euro umdrehen": Meine Mutter war, seit ich 12 war, auch allein erziehend und lebte von Sozialhilfe bzw. Mindestpension. Ich weiß also sehr gut, wie das wirklich ist. Natürlich haben wir keine fernen Länder im Urlaub besucht, manchmal sind wir auch überhaupt zuhause geblieben. Das war aber keine Tragödie.
Waltraut Antonov - 25. Okt, 17:57

lieber Herr Sedlak, diesmal hat es leider länger gedauert mit meiner antwort. mich würde interessieren, warum Sie meinen, dass "ungelernte" (was ja nicht stimmt, weil eigentlich ja jede und jeder irgendetwas gelernt hat:-), facharbeiterInnen und akademikerInnen unterschiedlich bezahlt werden müssen und der unterschied nicht zu gering sein darf. in meinen augen brauchen wir alles und alle, d.h., menschen, die ohne uni-diplom arbeiten, und solche, die mit uni-diplom z.b. forschen und lehren. ich bin mir nicht sicher, ob das tatsächlich so unterschiedlich bezahtl werden sollte, wie es jetzt der fall ist.
schulsystem: da haben Sie sicher glück gehabt. es gibt genügend beispiele, wo es nicht so gut funktioniert hat und wo tatsächlich nach der hauptschule schluss war. meistens trifft das jugendliche, die aus migrantischen und/oder ärmeren familien kommen. das finde ich ungerecht an unserem system. bis auf einige ausnahmen hängt der bildungsgrad der jugendlichen zusammen mit dem bildungsgrad der eltern. ich möchte ein system haben, in dem alle gefördert werden...
ja, das dänische system hat was. ich finde schon, dass alle vom steuertopf gefördert werden sollten. in einem Ihrer oberen kommentare schreiben Sie ja selbst, der staat soll die existenz seiner bürgerInnen sichern. dafür sorgt eben das dänische system.
die witwen und waisen würde ich nicht einfach als gratisversicherte bezeichnen. sie erhalten ja die leistung anstelle des / der verstorbenen, der/die in den topf eingezahlt hat. worüber man in diesem zusammenhang diskutieren könnte, wäre meines erachtens nur die witwen/witwerpension, die zusätzlich zu eigenen gehalt oder pension ausbezahlt wird. oder haben Sie ohnehin diese pensionen gemeint?
Mario Sedlak (Gast) - 26. Okt, 08:19

Wenn ich gleich nach der Hauptschule so viel verdienen hätte können wie jetzt als Diplom-Ingenieur, hätte ich nicht noch weitere 10 Jahre auf eigenes Einkommen verzichtet. Und falls ich doch studiert hätte, wäre ich sicher noch öfter als "fauler Student" bezeichnet worden, weil Studieren dann ja offensichtlich nur ein Privatvergnügen ist, d. h. wirtschaftlich unrentabel. Nur noch Idealisten würden sich das antun. Die qualifizierten Arbeiter werden Sie unter diesen Umständen nicht bekommen. Es ist nicht viel falsch, zu sagen: Die Menschen tun nur das, was sich *für sie* rechnet. Ohne Anreiz keine Leistung.

Wenn ein ausgebildeter Kindergartenpädagoge nach 20 Dienstjahren 1600 Euro netto verdient, ist das genug? Wenn ja, dann wird es noch weiterhin einen Mangel an solchen Fachkräften geben. Nur mit Appellen und verbaler Wertschätzung kann man die Menschen nicht motivieren, obwohl sie Ihnen sicher zustimmen, dass wir alle brauchen.

Die Gehälter müssen auch international konkurrenzfähig sein, sonst wandern die gefragtesten Menschen ab. Fachkräfte aus Tschechien kommen lieber zu uns putzen, weil eine Putzkraft in Österreich mehr verdient als eine Fachkraft in Tschechien.

Nebenbei bemerkt, finde ich die Lohnunterschiede zwischen den Ländern viel ungerechter als die relativ geringen Unterschiede innerhalb Österreichs. Das kann aber wahrscheinlich kaum die österreichische Politik lösen.

Wenn manche Jugendliche nur den Hauptschulabschluss machen, ist daran nicht unbedingt "das System" schuld. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass viele Lehrer schon froh wären, wenn die Schüler in die Schule kommen, um zu lernen. Nur die wenigsten von denen, die aussteigen, wollen Förderunterricht haben. Die tanzen nur den Lehrern auf der Nase herum. Um hier etwas zu ändern, müsste man den Anreiz zu Leistung eher erhöhen als verringern.

Die Witwen/Witwerpensionen werden immer zusätzlich zum eigenen Einkommen ausbezahlt. Erst wenn man selbst mehr als 2 1/2 mal so viel Einkommen als der Verstorbene hat, bekommt man nichts. Niemand hat für diese Leistungen einbezahlt. Es handelt sich um eine reine Sozialleistung aus Steuergeld. Der Verstorbene hatte *für sich* einbezahlt, aber keinen Zuschlag für den Ehegatten bezahlt. Ist das wirklich gerecht?
Waltraut Antonov - 3. Nov, 17:37

tut mir leid - es hat wieder etwas länger gedauert. zu ihren argumenten: sie haben mit vielem recht. ich meine, über kurz oder lang müssen wir unser gesamtes system der bezahlung für arbeit überlegen. im idealfall sollten ja menschen das tun, was sie gut können, was sie gerne machen und daher auch motiviert. und das sollte in meinen augen nicht von der bezahlung abhängen. da muss aber schon im schul- und bildungssystem viel verändert werden...
zur witwen/witwerpension: da denke ich ja in erster linie einmal an diejenigen, die selbst - aus welchem grund auch immer - keinen eigenen pensionsanspruch haben, auf das einkommen des partners/der partnerin angewiesen sind und völlig ohne geld dastünden, wenn der partner/die partnerin stirbt. diese personen brauchen die pension auf alle fälle. diskutieren kann man sicher, ob es nötig ist, eine hinterbliebenenpension auch dann - und in welcher höhe - auszuzahlen, wenn der / die hinterbliebene selbst ein eigenes einkommen, einen eigenen pensionsanspruch hat. aber das ist ja alles ein sehr komplexes thema...
jedenfalls werde ich mich freuen, weiter von Ihnen zu lesen, auch, wenn ich mit meinen antworten mitunter ein paar tage brauche!
Wolfgang (Gast) - 12. Okt, 11:31

Das wesentliche Problem:

Christoph Chorherr hat das in seinem Weblog ja schon beschrieben. Pensionisten sind wohl in vielen Fällen arm dran, jedoch gibts viele Gruppen, die auch arm dran sind, aber eben im Gegensatz zu den Pensionisten keine Lobby haben. Jetzt muss man den Grünen mal zugute halten, dass die meisten dort Ansichten haben, die auch diese lobbylosen Gruppen unterstützen. Allerdings siehts halt in der aktuellen Politik mit den derzeit regierenden Parteien so aus, dass für diese armen Gruppen genau nichts getan wird.

Jeder Zivildiener, der mit Essensgeld und Öffi-Entschädigung keine 400 Euro bekommt, kriegt einen dicken Hals, wenn er liest, dass Pensionisten in die Sozialpartnerschaft wollen. Dort wird lobbyiert für höhere Pensionen, und er bekommt nichtmal das, was ihm der Verfassungsgerichtshof (!!) zuspricht. Dazu gibts 48h Woche, kein Streikrecht, und noch nichtmal das Recht, den Zivildienst direkt nach der Matura oder dem Lehrabschluss antreten zu dürfen.

Und auch alle anderen jungen Leute, die in prekären Verhältnissen leben, und kaum mehr verdienen, als ein Mindestpensionist, jedoch wesentlich mehr Ausgaben haben (z.B. doppelt so teures Wiener Linien Ticket, Wohnsitz von dem der Arbeitsplatz erreichbar ist, usw.) kommt dieser übertriebene Pensionen-Lobbyismus über die Sozialpartnerschaft sehr verwegen vor.

Waltraut Antonov - 13. Okt, 08:03

lieber Wolfgang,
ja, stimmt, es gibt nicht nur arme pensionistInnen, es gibt auch viele andere gruppen, die benachteiligt sind. aber in der aktuellen debatte wird klar, wie schnell die diskussion falsch laufen kann. anstatt dass es nämlich zu einer solidarisierung aller dieser benachteiligten gruppen kommt - also vom zivildiener bis zu den pensionist/innen, wird eine benachteiligte gruppe gegen die andere ausgespielt. und alles bleibt beim alten. in der pensionsdebatte müssten ja alle ganz klar aufschreien wegen der undifferenziertheit. es muss klar sein, dass die mindestpensionen viel mehr unterstützung brauchen, als höhere und hohe pensionen.
und ganz genau so muss klar sein, dass auch junge menschen in prekären verhältnissen besondere unterstützung brauchen. das geht aber nur, wenn wir endlich mit der umverteilung beginnen in unserem reichen land. also z.b. vermögenssteuern.
und sie haben völlig recht, die kosten z.b. für die fahrkarten der öffis müssten auch nach einkommen gestaffelt sein und dürften nicht (nur) vom alter abhängen. wir grüne setzen uns übrigens immer dafür ein - wir finden auch das geltende modell der seniorInnenermässigungen unfair, weil es eben nicht nach einkommen differenziert.
ich wünsche mir also mehr solidarität, differenzierte diskussionen und ein bisschen überlegung, wer davon profitiert, wenn eine gruppe gegen die andere ausgespielt wird. und in diesem zusammenhang finde ich z.b. christophs kommentar (neben denen unzähliger sogenannter pensionsexperten und sonstigen experten - ganz bewusst ohne -innen!) kontraproduktiv, weil er auch den gegensatz alte gegen jung heraufbeschwört.

Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, sich weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht dumm machen zu lassen. (Adorno)

ein wichtiger beweggrund für mich, politikerin zu werden. ich habe oft gehört: "da kann man ohnehin nichts machen, das machen sich die da oben aus." diesem gefühl will ich entgegen wirken. ich will, dass menschen sich dafür interessieren, was in ihrem umfeld, in unserer stadt, in unserem land los ist. und ich will, dass menschen die möglichkeit haben, in allen fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen.

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